Schrecklicher Pfeilgiftfrosch
Phyllobates terribilis
Schrecklicher Pfeilgiftfrosch
Phyllobates terribilis
Zielvorgabe CC
70 Haltende
Stand 05/2024
Zielvorgabe CC
225 Tiere
Stand 05/2024
Zielvorgabe CC
70 Haltende
Stand 05/2024
Zielvorgabe CC
225 Tiere
Stand 05/2024
Man braucht schon ein beachtliches Selbstbewusstsein, wenn man als nicht einmal fünf Zentimeter langes Fröschchen, im Grunde also als lebendes Appetithäppchen, einfach so, mitten am Tag, in aller Ruhe völlig ohne Deckung über den Regenwaldboden hüpft.
Alarmstufe gelb
Der Schreckliche Pfeilgiftfrosch hat jede Berechtigung zu dieser Laissez-faire-Haltung: Er gehört zu den giftigsten Tieren der Welt. Mit der Giftladung, die er mit sich herumträgt, könnte er glatt 22.000 Mäuse auf einen Streich töten – oder sechs Menschen. Auf diesen Umstand weist er mit seiner leuchtend gelben Färbung in angemessener Deutlichkeit hin. Besser nicht anfassen!
Leben und sterben lassen
Die leuchtend gelbe Farbe der Schrecklichen Pfeilgiftfrösche warnt vor ihrem extrem starken Gift.
Der Pitohui von Neuguinea war der erste bekannte Giftvogel – Batrachotoxin, wie beim Schrecklichen Pfeilgiftfrosch. Vermutlicher Grund: ähnliche Nahrungsvorlieben von Frosch und Vogel.
Unfair! Ähnlich tödlich wie Batrachotoxin ist das Gift einiger Würfelquallen – aber sie denken gar nicht daran, den Menschen zu warnen, sondern treiben unauffällig vor Australiens Küste herum.
Deshalb müssen die australischen Behörden hier nachhelfen. Sie warnen in schönstem Terribilis-Gelb vor der unsichtbaren Gefahr im Wasser.
Blaues Wunder: Wer den Blaugeringelten Oktopus stört, bekommt Blaugeringeltes zu sehen –normalerweise tritt der Krake diskreter auf. Er nutzt das Gift Tetrodotoxin, das er allerdings wie der Pfeilgiftfrosch nicht selbst herstellt, sondern von symbiontischen Bakterien produzieren lässt.
Auch der Rauhäutige Wassermolch zeigt auf den ersten Blick, das mit ihm nicht gut Molche essen ist – zu seinem Schutz bedient er sich ebenfalls des Tetrodotoxins.
Die Zubereitung von Kugelfischen (Fugus) gilt in Japan als kulinarische Meisterprüfung, weil auch sie Tetrodotoxin bunkern. Das Gift hat sogar seinen Namen von diesen Fischen und macht ihren Konsum mitunter zu einer in jeder Hinsicht einmaligen Erfahrung.
Kein Vorwurf aber an den Kugelfisch: Er gibt sich redlich Mühe, nicht verschluckt zu werden.
Tetrodotoxin wird auch von Kröten eingesetzt. Diese Panama-Stummelfußkröte warnt vor dem Gift mit demselben Farbcode wie Phyllobates terribilis.
Phyllobates bicolor sieht dem Schrecklichen Pfeilgiftfrosch zum Verwechseln ähnlich und ist eng mit ihm verwandt. Auch er wurde zum Vergiften von Blasrohrpfeilen benutzt. Allerdings enthält er das Batrachotoxin in deutlich geringerer Konzentration als sein schrecklicher Verwandter.
Der dritte im Bunde der tatsächlich zum Pfeilvergiften genutzten Pfeilgiftfrösche ist der etwas weniger abschreckend gefärbte Goldstreifen-Baumsteiger (Phyllobates aurotaenia), der ebenfalls in Kolumbien lebt.
Das Froschgift
Batrachotoxin heißt das Gift, das der Schreckliche in seinem Hautsekret vorrätig hält. Übersetzt bedeutet das schlicht „Froschgift“. Aktiv anbringen kann er es nicht, man muss also keine Angst vor dem Winzling haben. Nur runterschlucken sollte man ihn nicht – und besser auch nicht anfassen, denn das Gift kann seine Wirkung auch entfalten, wenn es über kleine Wunden oder Schleimhäute in den Körper kommt. Die kolumbianischen Ureinwohner im Chocó, wo der Frosch zu Hause ist, machten sich diese Eigenschaft zu Nutze. Sie sammelten die Frösche statt mit Schutzhandschuhen mit Blättern ein, hielten sie in einer Art Stegreif-Terrarium in geflochtenen Körben mit Laubstreu und strichen ihre Pfeile über die Froschrücken, um diese für die Jagd zu vergiften. Getroffene Vögel oder Affen fallen umgehend vom Baum, wenn ein solcher Giftpfeil sie erwischt. Die Frösche aber wurden nach getaner Arbeit wieder in die Freiheit entlassen.
Besuch bei den Giftzwergen
Die Geschichte von Citizen Conservation ist eng verwoben mit dem Schrecklichen Baumsteiger.
Eines der frühen Projekte von Frogs & Friends, den Erfindern und heutigen Mitgesellschaftern von CC, war ein Trip in den Lebensraum der Giftzwerge in Kolumbien.
Ankunft im kolumbianischen Cali. Mit dabei: Susan Knakowske und Björn Encke (Mitte) von Frogs & Friends sowie Martin Bauert vom Zoo Zürich. Ihr Ziel: Phyllobates terribilis in der Natur filmen.
Die Giftzwerge sind über den Landweg nicht zu erreichen. Beladen des Bootes für die Expedition im Hafen von Buenaventura.
Susan Knakowske ist die Regisseurin der preisgekrönten Videoreportage, die auf der Frogs & Friends-Website gezeigt wird: reportagen.frogs-friends.org/de/kolumbien
Ankunft in Joaquincito, dem nächstgelegenen Dorf zum Giftzwerg-Wald
Gemeindeversammlung in Joaquincito – hier wird das Projekt vorgestellt und die Zustimmung der Bewohnerinnen und Bewohner eingeholt.
Aufbruch in den Lebensraum der Giftfrösche
Erfolg: Das Team um den Biologen Carlos Galvis (links) vom Zoo Cali freut sich über die Begegnung mit den Giftzwergen.
Der Trip diente auch dem Sammeln von Daten aus dem Feld. Das Hantieren mit den hochgiftigen Fröschen darf nur mit Schutzhandschuhen erfolgen.
Lebensraum von Phyllobates terribilis – dieses Vorkommen verdankt sich vermutlich nur der Nutzung zur Vergiftung von Blasrohrpfeilen durch die Indígenas der Region, die die Frösche deshalb einst wohl als „Gift-Haustier“ hierherbrachten.
Im Zoo von Cali werden Schreckliche Pfeilgiftfrösche aus Joaquincito gezielt gezüchtet, um sie für die Zukunft zu erhalten. Ein Teil der Frösche im Programm von Citizen Conservation kommt ebenfalls aus dieser Population.
In der Frosch-Arche von Cali
Die Giftzwerge haben nur eine Chance in der Natur, wenn auch die kommende Generation der Menschen von Joaquincito eine hat und den Wald erhält. Bis zum Besuch von Frogs & Friends fehlte im Dorf ein modernes Motorboot.
Ein Boot für Joaquincito: Mit einer Crowdfunding-Kampagne und dem Preisgeld vom Wettbewerb „Fast Forward Science“ für die Videoreportage hat Frogs & Friends der Gemeinde den Kauf finanziert.
Kein Schutz gegen Kettensägen
Auf diese Weise hat der Schreckliche Baumsteiger sein von Natur aus sehr kleines Verbreitungsgebiet vermutlich sogar erweitert – als lebender Giftlieferant und temporäres Haustier wurde er vom Menschen in andere Gebiete gebracht und konnte sich so wohl mindestens einen neuen Lebensraum erschließen. Das nutzt ihm aber nichts gegen seinen ärgsten Feind: die Kettensäge. Die Abholzung der Regenwälder schreitet auch im entlegenen Nordwesten Kolumbiens in beängstigendem Tempo voran: um wertvolles Holz zu gewinnen, Platz für Landwirtschaft zu schaffen oder Bergbau zu betreiben. Das mit weniger als 1.500 Quadratkilometern Ausdehnung ohnehin sehr kleine Verbreitungsgebiet mit nur fünf bekannten Fundorten dieser Art steht unter massivem Druck. Da nutzt ihm alle abschreckende Färbung nichts – dieser einmalige Frosch droht heimatlos zu werden.
Obwohl er so leicht gezüchtet werden kann, fehlt es bislang an einem koordinierten Zuchtprojekt
Giftküche ohne Zutaten
Sowohl in Zoos als auch bei privaten Froschzüchtern ist der Schreckliche Pfeilgiftfrosch schon lange eine beliebte und häufig gezüchtete Art. Ihre Halter schweben übrigens in keinerlei Gefahr – einmal aus dem Regenwald entnommen, verlieren die Frösche ihre Giftigkeit allmählich. Nachzuchttiere sind vollständig ungiftig. Der Grund: Der Frosch kann sein „Froschgift“ gar nicht selbstständig herstellen. Er benötigt dafür Substanzen, die er über seine Beute – Ameisen, Milben, Tausendfüßer, Käfer – aufnimmt und dann erst zum Batrachotoxin zusammenbaut. Futtertiere in der Terraristik verfügen darüber nicht, weshalb der Frosch seinen Schrecken rasch verliert.
Nachzuchten Schrecklicher Pfeilgiftfrösche im Terrarium – eine Hoffnung für die stark bedrohte Art. © Heiko Werning
Backup im Terrarium
Obwohl er so leicht gezüchtet werden kann, fehlt es bislang an einem koordinierten Zuchtprojekt, bei dem die genetische Vielfalt der Reservepopulation ebenso Beachtung findet wie mögliche Vermischungen verschiedener Formen. Citizen Conservation arbeitet daran, eine solche koordinierte Zucht aufzubauen, und bemüht sich auch um die Klärung des genetischen Hintergrunds der bei uns gepflegten Tiere, um diesen in jeder Hinsicht einmaligen Frosch so zu erhalten, wie er sich im kolumbianischen Regenwald nun einmal entwickelt hat: schrecklich schön!
Für Haltende
Basisinformationen zu Biologie und Haltung
Auch für Einsteigende in die Haltung von Pfeilgiftfröschen geeignet. Benötigt wird ein mittelgroßes, konstant feucht-warmes, gut bepflanztes Regenwaldterrarium. Gefüttert wird mit Fruchtfliegen, kleinen Grillen u. Ä. Aufzucht der Larven am besten einzeln in kleinen Wasserbehältern.