Historie

Vom ambitionierten Projekt dreier Vereine zur gemeinnützigen GmbH – und zu einer zivilgesellschaftlichen Bewegung: der Weg von Citizen Conservation.

Historie

Vom ambitionierten Projekt dreier Vereine zur gemeinnützigen GmbH – und zu einer zivilgesellschaftlichen Bewegung: der Weg von Citizen Conservation.

Das Ziel war von Anfang an klar: Citizen Conservation will dazu beitragen, möglichst viele Arten durch Erhaltungszuchten in menschlicher Obhut vor dem Aussterben zu retten. Der Weg dorthin ist schon im Namen Programm und Versprechen: Citizen Conservation, das sind Menschen, die in ihrer Freizeit bedrohte Tiere halten und züchten, um die Artenschutzbemühungen von Zoos und anderen Institutionen zu unterstützen. Denn die Aufgabe, der Biodiversitätskrise mit einem zählbaren Beitrag entgegenzutreten, ist zu groß, als dass wir es uns erlauben könnten, auf das Wissen, die Begeisterung und das Engagement von vielen privaten Tierhaltenden zu verzichtenden.

Ausgezeichneter Artenschutz

Der 2014 gegründete Verein Frogs & Friends, der sich als eine Art PR-Agentur für Amphibien versteht und in dem sich eine bunte Mischung von Fachleuten aus Medien, privater Wildtierhaltung, Zoos und Wissenschaft engagiert, wurde im Jahr 2017 vom Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) nach einer Idee gefragt, wie Privatpersonen, die zu Hause Amphibien züchten, gemeinsam mit professionellen Institutionen in Ex-situ-Artenschutzprojekte für diese Tiere eingebunden werden können. Daraufhin entwickelte Frogs & Friends das Konzept von CC und lud im Januar 2018 führende Experten zu einem Kick-off-Workshop ein, um über dessen Ausgestaltung und Umsetzbarkeit zu diskutieren. Das Ergebnis eines intensiven Wochenendes: Das Wagnis sollte eingegangen werden!

Aus den Teilnehmern des Workshops formierte sich der operative Beirat von CC, der die Aufgabe hatte, das Projekt inhaltlich durch eine fünfjährige Pilotphase zu steuern. Frogs & Friends, VdZ und die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT) erklärten sich Mitte 2018 bereit, eine Grundfinanzierung für diese Pilotphase bereitzustellen, um am Beispiel der Amphibien die Ideen und Abläufe von CC in der Praxis zu testen und zu optimieren. Die Mission bestand darin, professionell koordinierte Erhaltungszuchten für bedrohte Amphibienarten in Zusammenarbeit von Institutionen und Privatpersonen aufzubauen. Da der Gedanke der Notwendigkeit von Artenrettung durch Ex-situ-Haltung aber gesellschaftlichen Rückenwind braucht, sollte CC gleichzeitig auch eine Kampagne „pro ex situ“ sein, um in der breiteren Öffentlichkeit ein Verständnis sowohl für die Dramatik des Artensterbens als auch für die Notwendigkeit des Gegensteuerns unter Einbeziehung von Wildtierhaltung in menschlicher Obhut zu schaffen.

Das Konzept von CC war so überzeugend, dass die Initiatoren Björn Encke und Heiko Werning dafür mit dem von der Bundesregierung ausgelobten Preis „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland 2019“ ausgezeichnet wurden.

Auftakt mit Amphibien

Dass der Auftakt mit Amphibien erfolgen würde, war angesichts der Geschichte und der Beteiligten folgerichtig. Frösche, Kröten, Molche und Salamander stellen eine der am stärksten gefährdeten Tiergruppen der Welt dar, 41 % der Arten drohen auszusterben. Und gerade sie sind in der Zootierhaltung bislang deutlich unterrepräsentiert, während es viele Privatpersonen gibt, die große Erfolge bei der Zucht dieser Tiere und ein eindrucksvolles Wissen über sie angesammelt haben. Im Herbst 2018 zogen als erste Pfleglinge die kritisch vom Aussterben bedrohten Pátzcuaro-Querzahnmolche in die Aquarien von CC-Teilnehmenden ein, vier weitere Amphibienarten folgten bald darauf – ein Anfang war gemacht!

Ein Start-up für den Artenschutz, um der Biodiversitätskrise mit lebendigen Ergebnissen entgegenzutreten.

Wild at Home

Zu den Aufgaben der Pilotphase gehörte auch die Entwicklung eines praktikablen und effizienten Online-Populationsmanagementsystems für die Verwaltung und Koordination der CC-Teilnehmenden und -Tiere – angesichts der komplexen Aufgabenstellung und der Zahl an Individuen kein triviales Unterfangen. Das Ergebnis sollte daher über CC hinaus der ganzen Gesellschaft zur Verfügung stehen, um insgesamt mehr Transparenz und Effizienz in der privaten Wildtierhaltung zu schaffen. Durch eine Förderung des „IGP – Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen“ vom Bundeswirtschaftsministerium und des Datenbankspezialisten marmalade GmbH konnte schließlich die Wildtier-Datenbank „Wild at Home“ entwickelt werden, deren Beta-Version 2023 online ging und nach einem weiteren Ausbau bald allen Wildtierhaltenden zur Verfügung stehen soll.

Auf eigenen Beinen

Erste Nachzuchterfolge konnten bereits im Folgejahr 2019 gefeiert werden. Bis zum Ende der Pilotphase 2022 betreuten CC-Teilnehmende bereits 1.382 Tiere aus 15 Arten.

Eine weitere Aufgabe der Pilotphase bestand darin, eine tragfähige Konstruktion für CC zu finden, um zukünftig als eigenständige Organisation arbeiten zu können. Daher wurde 2022 die Citizen Conservation Foundation gGmbH gegründet. Die bisherigen Projektträger Frogs & Friends, VdZ und DGHT wurden zu Gesellschaftern der gemeinnützigen GmbH. Die Gesellschafterversammlung bestimmt einen Aufsichtsrat, der über die Geschicke von CC wacht und zu dessen erstem Vorsitzenden Dr. Tim Schikora, Direktor des Zoo Schwerin, bestimmt wurde. Geschäftsführer von CC ist Björn Encke, der dem CC-Büro in Berlin vorsteht. Inhaltlich beraten wird CC von einem wissenschaftlichen Beirat, dessen Fachgruppen sich den einzelnen Tiergruppen widmen. Bei der ersten Beiratstagung in der neuen Organisationsform im Januar 2023 in Berlin wurde neben dem Amphibien- auch ein Beirat für Fische und einer für Reptilien ins Leben gerufen. Erste Fischarten waren im Vorgriff darauf schon 2020 in CC aufgenommen worden, die ersten Reptilien folgten 2023.

Mark-Oliver Rödel (Vorsitzender F&F, hinten links), Marco Schulz (Präsident DTG, hinten rechts ), Markus Monzel (Vorsitzender DGHT, vorne rechts) und Björn Encke (Geschäftsführer CC, vorne links) beim Unterzeichnen des Gesellschaftervertrags auf der DGHT-Tagung 2022 in Berlin.

Für die Zukunft ist die Aufnahme weiterer Tiergruppen ebenso geplant wie die verstärkte geographische Ausweitung außerhalb des deutschsprachigen Raums. Diese Skalierung ist, ebenso wie der Ausbau des Portfolios betreuter Arten, abhängig von den finanziellen Ressourcen, die CC zur Verfügung stehen. Unterstützende Institutionen sind dafür ebenso willkommen wie Einzelspender und natürlich weitere engagierte Menschen, die mit ihrer ehrenamtlichen Wildtierhaltung einem tollen Hobby einen tieferen Sinn geben und dem Artensterben die Stirn bieten wollen. Denn Haltung rettet Arten!