San-Martín-Fransenbeinlaubfrosch

Ecnomiohyla valancifer

San-Martín-Fransenbeinlaubfrosch

Ecnomiohyla valancifer

Zielvorgabe CC

56 Haltende

Stand 11/2025

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225 Tiere

Stand 11/2025

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56 Haltende

Stand 11/2025

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225 Tiere

Stand 11/2025

Sie haben vielleicht schon mal davon gehört, wie Charles Darwin einst auf die Sache mit der Evolution gekommen ist? Sie wissen schon, die Finken auf den Galápagos-Inseln mit ihren Schnäbeln? Jedes der unscheinbaren schwarzgrauen Vögelchen hat eine andere Schnabelform, je nachdem, was es am liebsten pickt oder porkelt, und durch diese Spezialisierung hat es eine Futterquelle für sich erschlossen, an die es besonders leicht und die lästige Konkurrenz kaum oder gar nicht herankommt: die ökologische Nische.
Frösche haben keinen Schnabel, aber dasselbe Problem – auch sie müssen ihre Nische in einer mit Konkurrenz und Fressfeinden gut angefüllten Welt finden. Ein Frosch, von dem Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nie gehört haben, hat hierfür besonders exaltierte Lösungen gefunden. So exaltiert, dass es andererseits kein Wunder ist, dass Sie vermutlich noch nie von ihm gehört haben. Denn tatsächlich hat kaum jemand ihn je auch nur gesehen. Spezialisierung geht mitunter einher mit einem Hang zum Sonderlichen.

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Es wird immer sonderlicher

Der Fransenbeinlaubfrosch, um den es hier geht, ist definitiv ein Sonderling. Er lebt weit oben in den Bäumen der Nebelwälder eines Gebirgsstocks im Südosten von Mexiko. Das sind schon mal zwei Punkte, die das Sonderliche geradezu provozieren. Zunächst mal: Leben hoch oben in Bäumen, da denken wir ja eher an Vögel als an Frösche. Nicht ganz zu Unrecht, denn als Frosch ist man ja immer auch Amphibium und als solches sozusagen per definitionem an Gewässer gebunden – „Amphibien“ kommt vom griechischen „amphibios“, was so viel wie „doppellebig“ bedeutet und darauf anspielt, dass Lurche zwischen den Welten Wasser- und Landlebensraum pendeln, mit ihrer zunächst über Kiemen atmenden Larve und der späteren Metamorphose zum Luft atmenden Erwachsenen sowie ihrer Zeitlebens engen Bindung ans nasse Element. Nun sind Gewässer aber bekanntlich eher am Boden zu finden. Lebt man als Frosch also in luftiger Höhe, muss man sich schon mal, evolutionär gesehen, einiges einfallen lassen, diese Distanz zu überwinden oder Alternativen zum klassischen Froschtümpel zu entwickeln. Wenn man dann auch noch in den Nebelwäldern eines Gebirgsstocks lebt, ist man praktisch auf einer Insel, denn der Preis der Spezialisierung ist, dass man eben auch zunehmend gebunden ist an seine ganz spezielle Nische. Im Nebelwald ist es kühl, unten im tropischen Tiefland bekanntlich schwül-heiß, so bleibt man unter sich und verliert den Kontakt zu anderen, was wiederum die Herausbildung von Sonderlichkeiten verstärkt: die Artbildung.

„Eine Ein-Zimmer-Dachgeschosswohnung mit eigenem Bad“

© Peter Janzen

Der Tümpel im Baum

Der San-Martín-Fransenbeinlaubfrosch lebt ausschließlich an den Berghängen um den Vulkan San Martín, vermutlich nur in Höhenlagen über 1.000 Metern. „Vermutlich“ deutet schon darauf hin, dass man das alles nicht so genau weiß, denn wie schon erwähnt: Kaum jemand hat die Frösche je in der Natur gesehen. Tatsächlich kennt die Wissenschaft nur ein paar Handvoll Exemplare aus ihrem Lebensraum. Was nicht nur mit dem sehr begrenzten Vorkommen in einem sehr kleinen Gebiet zu tun hat, sondern auch damit, dass die Frösche wahrscheinlich ihre meiste Zeit dort hoch oben in den Bäumen verbringen, wo der Mensch halt nicht hinkommt. Andere in Bäumen lebende Frösche kommen zumindest zum Laichgeschäft in Sichtweite, die Fransenbeinlaubfrösche sparen sich das lästige Geklettere in die Niederungen des Waldes und haben eine ganz besondere Kinderstube für sich entdeckt: Baumhöhlen, die im feuchten Nebelwaldklima häufig mit Wasser gefüllt sind. Sozusagen eine Ein-Zimmer-Dachgeschosswohnung mit eigenem Bad. Dort ziehen die Frösche dann auch den Nachwuchs auf. Sehr praktisch.

„Das Essen ist fertig!“ – Ein Weibchen des San-Martín-Fransenbeinlaubfroschs setzt Nähreier ab, die Kaulquappen schwimmen gierig zur Fütterung heran. © Peter Janzen

Froscheier-Squash

Es gibt nur einige kleinere Widrigkeiten. Im Vergleich zu einem richtigen Gewässer sind die Bedingungen in so einem Baumhöhlentümpel etwas fragwürdig: kaum Sauerstoff im Wasser und nichts zu fressen. Aber kein Problem für den Fransenbeinlaubfrosch! Zwar begibt er sich nach alter Froschsitte zur Paarung in seinen exklusiven Pool, die Bedingungen für die Eier sind aber außerhalb des Wassers viel besser: denn die Luftfeuchtigkeit in einer Baumhöhle im Nebelwald ist für den Laich ausreichend hoch, und Sauerstoff gibt es an der Luft ohnehin genug. Also greift sich das Froschweibchen die im Pool gerade gelegten und vom auf ihm klammernden Männchen frisch besamten Eier mit dem Hinterfuß, dessen Zehen über große Spannhäute miteinander verbunden sind und damit fast so etwas wie, sagen wir, einen Squash-Schläger bilden. Der Tradition dieser Sportart folgend, klatscht es sie dann einfach an die Baumhöhlenwand über dem Wasserspiegel. Wo sie allerdings nicht zurückprallen, sondern kleben bleiben, und zwar so lange, bis schließlich die Kaulquappen schlüpfen, die dann prompt ins darunter liegende Wasser fallen. Darin können die Larven sich nun weiter entwickeln, sie haben nur ein Problem: Es gibt kaum was zu fressen in einem Mini-Baumhöhlentümpel. Daher bekommt der Nachwuchs Vollpension im Hotel Mama. Die Mutter kehrt regelmäßig in ihren Höhlentümpel zurück und legt dort unbefruchtete Eier im Wasser ab, die von den Kaulquappen gierig gefressen werden, bis sie eines Tages die Metamorphose durchlaufen und an Land gehen. Beziehungsweise an den Baum, dessen Höhle sie nun verlassen.

Exaltierte Froschfortpflanzung in Citizen Conservation

„Morituri te salutant!“

Und das ist noch nicht alles an Sonderlichkeiten: Weil gute Baumhöhlen rar sind, verteidigen die Froschmännchen die ihrige mit großem Eifer gegen Konkurrenten und haben dafür sogar eine Art Stichwaffe entwickelt, ein dornartiges Gebilde am „Daumen“ der Vorderfüße, mit dem sie sich erbitterte Gladiatorenkämpfe liefern können. Das insgesamt ziemlich hutzelige und namensgebend fransige Aussehen der Frösche wiederum dient der Tarnung am Baum, weil es optisch so schön mit der Rinde verschmilzt. Und die großen Spannhäute zwischen den Zehen können eingesetzt werden, um bei Sprüngen von Ast zu Ast oder gar Baum zu Baum wie bei einem Drachen den Gleitflug durch die Luft zu steuern oder abzubremsen.

Ganz schön viele Sonderlichkeiten für einen einzigen Frosch also. Der damit perfekt angepasst ist an das Leben in den Nebelwäldern an den Hängen seines Vulkans. Aber eben nur dort. Da erwischt es ihn dann auf dem ganz falschen Fuß, Spannhäute hin oder her, da sein ohnehin winziger Lebensraum mehr und mehr abgeholzt wird. Zudem droht Gefahr durch eine eingeschleppte Pilzerkrankung. Mit dem Ergebnis, dass der San-Martín-Fransenbeinlaubfrosch inzwischen so gut wie ausgestorben ist, obwohl man ihn kaum je gesehen hat. Fast alles, was wir über ihn wissen, wissen wir von Beobachtungen im Terrarium, weil einige der Frösche in menschliche Obhut gelangt sind. Wo sie glücklicherweise für Nachwuchs gesorgt und dabei ihre außergewöhnliche Fortpflanzungsstrategie gezeigt haben. Heute sind diese Nachkommen womöglich die letzte Chance, die außergewöhnliche Art für die Zukunft zu erhalten – selbst wenn es den Laubfröschen in ihrer Heimat an die fransigen Beine geht.

Für Haltende

Basisinformationen zu Biologie und Haltung

Aufgrund seines Platzbedarfs und der benötigten kühlen Temperaturen stellt dieser Frosch erhöhte Ansprüche. Terrarium für ein Paar ab 80 x 60 x 80 cm (Länge x Breite x Höhe). „Künstliche Baumhöhle“ erforderlich. Temperaturen 20–24 °C tagsüber, mindestens 16–20 °C nachts. Feuchte Haltung, regelmäßiges Beregnen/Besprühen. Ernährung mit üblichen Futterinsekten problemlos. Aufzucht der Kaulquappen erfolgt im Terrarium der Eltern, Jungfrösche sollten separat aufgezogen werden.

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