True Crime in den Bergen

17. November 2025In News

Im Herbst 2024 wurden im Keller einer Privatperson in Deutschland mehrere Dutzend Alpensalamander behördlich beschlagnahmt. Sie waren zuvor illegal in den italienischen Alpen abgesammelt worden. Es handelte sich dabei um Exemplare von drei extrem seltenen und vom Aussterben bedrohten Arten bzw. Unterarten dieser Amphibien: Lanzas Alpensalamander (Salamandra lanzai) ist die etwas größere Schwesterart des weiter verbreiteten Alpensalamanders (Salamandra atra) und wie dieser lackschwarz gefärbt. Der Aurora-Alpensalamander (Salamandra atra aurorae) dagegen kommt nur in einigen wenigen Hochtälern der norditalienischen Alpen vor, der Pasubio-Alpensalamander (Salamandra atra pasubiensis) sogar nur mit wenigen hundert Exemplaren in einem einzigen Tal in Nordwest-Italien. Beide Unterarten zeigen noch Reste der gelben Warnfärbung, die der gemeinsame Vorfahr von Feuer- und Alpensalamander aufwies.

Die Alpensalamander des Kompetenzzentrums

Expertenwissen für den Artenschutz

Nachdem das dunkle Keller-Geheimnis gelüftet worden war, wurde CC-Beirat Uwe Seidel, ein privater Terrarianer und einer der besten Experten für die Haltung dieser Lurche, um Rat gebeten. Er reagierte umgehend und informierte Citizen Conservation über den Fund: „Mir war sofort klar, dass diese Tiere einen unschätzbaren Wert für die Arterhaltung haben und unbedingt in ein Schutzprojekt gehören“.

Eine Rückführung in den ursprünglichen Lebensraum kam nach Rücksprache mit den zuständigen Artenschutzbehörden nicht in Frage. Gleichzeitig ist die Lage dieser Alpensalamander-Formen ohnehin schon so prekär, dass es zu ihrem Erhalt dringend geboten ist, ein Nachzuchtprogramm in menschlicher Obhut aufzubauen.

Aufpäppeln und Aufbauen

Zunächst einmal jedoch ging es darum, die Tiere, die zum Teil in sehr schlechtem Gesundheitszustand waren, überhaupt erst mal zu stabilisieren. Uwe Seidel nahm sich auf Bitte der Naturschutzbehörde dieser Aufgabe an. Über ein halbes Jahr lang päppelte er die in erwachsenem Zustand gerade einmal 15 cm großen Pfleglinge auf. Währenddessen suchte CC nach geeigneten Institutionen, die Willens und in der Lage wären, entsprechende Räumlichkeiten und Personal zur Verfügung zu stellen, um langfristig in die Haltung und Erhaltungszucht einzusteigen. Björn Encke, Geschäftsführer von Citizen Conservation: „Ziel war es, das Risiko auf zwei Standorte zu verteilen, die in der Nähe von Uwe Seidel liegen sollten, weil wir auf seine Expertise in Sachen Salamanderhaltung nicht verzichten wollten. Dass sich der Erlebnis-Zoo Hannover und die Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen sofort entschieden haben, mitzumachen, war ein absoluter Glücksfall.“ Nach Zustimmung durch den für den Fall verantwortlichen Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) konnte mit den Vorbereitungen begonnen werden.

Hochgebirgsspezialisten im Bunker

Die aus Gebirgslagen stammenden Alpensalamander brauchen es kalt. Entsprechend wurde im Zoo Hannover ein Kellerraum vorbereitet – und in Sachsenhagen gleich ein ganzer Bunker. Florian Brandes, Leiter der Wildtier- und Artenschutzstation: „Auf unserem Gelände stehen eine ganze Reihe alter NATO-Munitionsbunker. In diesen liegen die Temperaturen ganzjährig zwischen 5 und 14 Grad. Das sind ideale Voraussetzungen für Alpensalamander, die eine kühle Haltung mit starker nächtlicher Absenkung der Temperaturen wie in den Alpen benötigen und auch noch einen großen Teil des Jahres in Winterruhe verbringen.“

Mit finanzieller Hilfe von Citizen Conservation konnte in wenigen Wochen eine Haltungsanlage aufgebaut werden, streng nach den Vorgaben von Uwe Seidel: „Wir wissen so gut wie nichts darüber, was Alpensalamander brauchen, um nicht nur gesund zu bleiben, sondern auch zur Paarung zu schreiten – da werden wir vermutlich einiges ausprobieren müssen, um zum Erfolg zu kommen.“

Langsame Fortpflanzung, schnell wachsende Gefahren

Die Fortpflanzung bei Alpensalamandern ist extrem langwierig. Diese Amphibien sind lebendgebärend. Sie bringen alle zwei bis vier Jahre nur je zwei Jungtiere zur Welt. Der Grund dafür ist die Kälte in ihrem Lebensraum. Im Hochgebirge steigen die Temperaturen nur wenige Monate im Jahr auf ein für wechselwarme Tiere zuträgliches Maß, den Rest des Jahres verbringen sie in Winterstarre. Diese Zeit würde nicht reichen, um Larven oder gar Eier abzusetzen, die sich dann im Wasser entwickeln. Angesichts dieser Wetteraussichten ist es also die bessere Wahl, nur sehr wenige Jungtiere direkt im Mutterleib auszutragen. Diese hochspezialisierte und zeitaufwändige Reproduktion macht den Alpensalamander gleich doppelt anfällig. Zum einen können Wilderer den Bestand durch das Absammeln auch von relativ wenigen Individuen empfindlich schädigen, zum anderen macht diese Anpassung an die Verhältnisse im Hochgebirge sie besonders empfindlich gegenüber klimatischen Schwankungen, wie sie in der Folge des Klimawandels zu erwarten sind. Hinzu kommt seit einigen Jahren eine weitere Gefahr durch den nördlich der Alpen grassierenden Salamanderfresser-Pilz, der in den Feuersalamanderbeständen Europas zu erschreckenden Massensterben führt. Verbreitet wird der Pilz auch über seine Sporen, die in Schlamm, an Pflanzen oder Tieren haften können – und auch an den Schuhen von ebenjenen Schmugglern, die illegal Lurchen hinterherjagen.
Diese besondere Gefährdungslage war einer der Hauptgründe, warum die DGHT den Alpensalamander zum „Lurch des Jahres 2026“ bestimmt hat.

Spenden für das Alpensalamander Kompetenzzentrum

Wenn ihr das Alpensalamander-Projekt unterstützen möchtet, spendet per PayPal an office@citizen-conservation.org samt Stichwort „Alpensalamander“ oder überweist an das folgende Konto:

Citizen Conservation
GLS Gemeinschaftsbank eG
Stichwort „Alpensalamander“
IBAN: DE38 4306 0967 1271 7068 00
BIC: GENODEM1GLS

Kompetenzzentrum Alpensalamander

„Die Bedrohungslage des Alpensalamanders ist sehr ernst“, betont der zoologische Kurator Robin Walb aus dem Erlebnis-Zoo Hannover. „Wir haben jetzt die Chance, die Tiere unter kontrollierten Bedingungen zu erforschen und zu vermehren, um ein Aussterben zu verhindern“. Für die beiden stark bedrohten Lokalendemiten Aurora- und Pasubio-Alpensalamander und den ebenfalls nur kleinräumig verbreiteten Lanzas Alpensalamander ist das natürlich besonders wichtig. So könnten nach Möglichkeit später einmal Tiere wieder in geeigneten Lebensräumen angesiedelt werden. Mit dem Kompetenzzentrum Alpensalamander in Niedersachsen ist hierzu ein erster Schritt getan.

Auch das von Citizen Conservation 2024 mitbegründete Feuersalamander.NET, ein Zusammenschluss unterschiedlichster Organisationen und Institutionen aus den Bereichen Arten- und Naturschutz sowie Wissenschaft und Tierhaltung, hat sich von Anfang an auf die Fahne geschrieben, neben dem Schutz des Feuersalamanders auch den Aufbau von Ex-situ-Kapazitäten für seinen nahen Verwandten, den Alpensalamander, zu unterstützen. Das nun neu installierte „Kompetenzzentrum Alpensalamander“ ist ein wichtiger Meilenstein zu diesem ambitionierten Ziel.

Der gesamte Krimi um die gewilderten Alpensalamander und der Aufbau des von CC initiierten Kompenzzentrums wird in einem von CC produzierten Film dokumentiert, der nun frei verfügbar ist: